Im norwegischen Lærdalsøyri wütete am vergangenen Wochenende ein katastrophaler Brand. Zahlreiche Menschen und Feuerwehrleute mussten aufgrund von Rauchgasvergiftungen in die ärztliche Behandlung übergeben werden. Doch die Rettungsaktion hatte noch einen anderen üblen Beigeschmack: Laut norwegischen Medienberichten sollen Multikopter der dortigen Bewohner die Lösch- und Rettungsarbeiten durch Hubschrauber verzögert oder sogar behindert haben.
Schaulustige gibt es an nahezu jedem Unfallort. Tagtäglich müssen Einsatzkräfte mit Menschen umgehen können, die mehr schauen als helfen wollen. In der Vergangenheit wurden Einsatzkräfte am Boden nicht selten behindert, doch nun könnte sich die Lage auch für die Luftrettung verschlechtern: Multikopter mit einfacher Kameratechnik sind relativ erschwinglich und einfach in ihrer Handhabung. Nicht selten werden sie durch den Hersteller als vermeintliche Spielzeuge offeriert, ohne den Kunden auf kritische Situationen und ihre Gefahren hinzuweisen. Auch Nachrichtensender aus Fernsehen und Hörfunk verfügen mittlerweile über passable Technik, um das aktuelle Geschehen aus der Luft betrachten und in kurzer Zeit weiterleiten zu können. Heute gehört die Drohne zum Standard-Equipment – ob nun im Kinderzimmer, in der Redaktion oder im Fotostudio.
Großbrand im UNESCO-Weltkulturerbe Lærdalsøyri
Am Samstagabend brach in der norwegischen Ortschaft Lærdalsøyri ein Feuer aus. Die Ursache für den Großbrand ist bislang unbekannt. Die denkmalgeschützte Altstadt im Westen Norwegens ist bekannt als Unesco-Weltkulturerbe sowie für ihre idyllische Landschaft und historische Architektur. In Lærdalsøyri findet sich unter anderem eine Stabkirche, die jedes Jahr tausende Besucher in das 1200-Seelen-Dörfchen lockt. Durch starken Wind wurde das Feuer immer wieder neu entfacht, selbst am Sonntagmorgen hatten die Einsatzkräfte das Feuer noch nicht unter Kontrolle. Viele der geschützten Gebäude sowie Industriegebäude und mehrere Wohnhäuser sind durch den Brand komplett zerstört worden. Mindestens 90 Menschen mussten ins Krankenhaus gebracht werden, unzählige Menschen wurden von der Polizei evakuiert. Viele der Umstehenden beteiligten sich an der Rettungsaktion. Dennoch: Laut norwegischer Polizei hätten einige Gebäude noch gerettet werden können, wenn die Löscharbeiten der Hubschrauber nicht durch unüberlegte Drohnen-Flüge behindert worden wären. Die Einsatzkräfte appellierten deshalb an die Bevölkerung, Multikopter innerhalb der Krisengebiete nicht aufsteigen zu lassen, um nicht für zusätzliches Chaos zu sorgen.
http://www.youtube.com/watch?v=kT7mB64EhaA
http://www.youtube.com/watch?v=QafDJKu0YTY
Schaulustige vs. Presse?
Erschwingliche Multikopter bieten die Möglichkeit, den ein oder anderen „Schnappschuss“ aus der Luft treffen zu können. Für die Feuerwehren sind solche Luftaufnahmen zur Einsatzkoordinierung äußerst wertvoll, für die Menschen am Boden sind sie aber auch gewinnbringend. Gerade die Presse versucht in Katastrophengebieten möglichst spektakuläre Bilder festzuhalten, um die Menschen in Fernsehen und Print möglichst nah an den Geschehnissen teilhaben zu lassen. Nicht selten spielen dabei Einschaltquoten und Auflagehöhen eine wichtige Rolle. Umso extremer die Bilder, umso mehr Menschen werden erreicht. So auch bei spektakulären Fotos und Videos, die mit hochinnovativen Drohnen aus völlig neuen Perspektiven gemacht werden.
Doch Unbemannte Flugobjekte wie Drohnen oder Multikopter werden sogar von den Einsatzkräften selbst immer häufiger genutzt. Ob Feuerwehren, Polizisten oder Tierschützer – die Multikopter sind kostengünstig, effizient und relativ sicher. Zudem liefern sie Echtzeit-Informationen, mit denen Einsätze und Einsatzkräfte besser koordiniert werden können. Den Menschen werden spektakuläre Luftaufnahmen aus bisher unbekannten Perspektiven möglich. Doch die ferngesteuerten Drohnen können auch stören. Sie können nicht nur die Privatsphäre der Menschen oder die Ruhe der Natur beeinträchtigen – auch die jüngsten Ereignisse in Lærdalsøyri werfen ein dunkles Licht auf die eigentlich harmlosen Multikopter.
Schnappschuss von Schmerz und Tragik
Doch wer waren nun die verantwortungslosen Piloten, die die Luftrettung bei ihrer Arbeit beeinträchtigten? Waren es übereifrige Journalisten oder schaulustige Nachbarn? Was sind das für Menschen, die aus sicherer Entfernung das Unglücksgeschehen begutachten wollen? Fragen, die eigentlich auf der Hand liegen. Denn es sind die gleichen Menschen, die auf der Autobahn Rettungsspuren blockieren. Solche, die zur Jahrhundertflut 2013 ihre Fahrzeuge am Ufer abstellten oder das Orkantief Xaver aus bedrohlich naher Entfernung miterleben wollten. Der ultimative Schnappschuss von Schmerz und Tragik ist für den Menschen besonders wertvoll. Mit nur einem Foto kann der Mensch das festhalten, was das Leben kurz und wertvoll macht. Mit Multikoptern geht das so bequem wie nie zuvor.
Doch als wären Euro Hawk und Co. noch nicht genug, wird nur die Technik kritisiert, statt Piloten aus den eigenen Reihen in die Mangel zu nehmen. Denn ist es nicht der Mensch, der die Technik konzipiert, herstellt und gebraucht? Kann den neuartigen Drohnen wirklich ein hoher Nutzwert abgesprochen werden, nur weil sich törichte Piloten in kritischen Momenten einfach nicht benehmen können? Liegt es nicht am Menschen selbst, mit welchem Sinn und Zweck er die Technik einzusetzen versucht? Im aktuellen Fall kann es wohl nur dem Menschen zugerechnet werden, dass der Rettungseinsatz behindert worden ist. Drohnen werden nur missbraucht – eben so, wie es Kameras schon seit Jahrzehnten über sich ergehen lassen müssen.