Mit der offiziellen Unterzeichnung am 8. Oktober 2025 in Valkenburg (Zuid-Holland) haben die Niederlande den Weg für eine europaweit bemerkenswerte Initiative geebnet: die Einrichtung einer permanenten Drohnentestzone (BVLOS) über der Nordsee. Das Projekt verknüpft regionale Behörden, das Infrastruktur- und Verteidigungsministerium sowie Industriepartner, um Flüge außerhalb der Sichtweite (BVLOS) unter realen Bedingungen zu erproben und damit die Entwicklung autonomer Drohnentechnik zu beschleunigen.
Kooperation von Staat, Region und Verteidigung
Die Vereinbarung wurde auf dem Gelände des Innovationszentrums Unmanned Valley (ehem. Marineflugplatz Valkenburg) unterzeichnet. Partner sind die Provinz Zuid-Holland, das Ministerium für Infrastruktur und Wasserwirtschaft und das Verteidigungsministerium. Ziel ist die Einrichtung eines speziellen Luftraums zwischen Katwijk und dem Hafen von Rotterdam, der als bevorzugte Testzone für BVLOS-Flüge ausgewiesen wird.
„Dieses Testgebiet bringt Innovation, Wirtschaft und Verteidigung zusammen. Es stärkt unsere Position als Vorreiter in der Luftfahrttechnologie und schafft neue Chancen für Wissen und Arbeitsplätze.“ — Meindert Stolk, Beigeordneter für Wirtschaft und Innovation. (Quelle)
BVLOS-Fähigkeiten sind die Voraussetzung für zahlreiche kommerzielle und sicherheitspolitische Anwendungen: Inspektionen von Offshore-Windparks und Deichen, Logistik-Flüge zu Schiffen, autonome Vermessungen und Spezialaufgaben in schwer zugänglichen Bereichen. Die Testzone ermöglicht es, diese Anwendungen in einem kontrollierten und separierten Luftraum zu erproben, bevor sie in den regulären Luftraum integriert werden.
- Inspektionen von Windparks, Deichen und kritischer Infrastruktur.
- Bulk-Sampling / Probenentnahme von Schiffsladungen (z. B. für Hafenlogistik).
- Zustellung kritischer Ersatzteile oder Ausrüstung an Schiffe auf See.
- Testumgebung für militärische und zivilen C2-/Anti-Drone-Systeme.

Die Testzone wird als Lufttunnel vom ehemaligen Militärflugplatz Valkenburg ins vorgelagerte Nordseegebiet realisiert. Dabei starten und landen die Testgeräte auf dem Unmanned Valley-Gelände; der kontrollierte Korridor soll den Flug über Küstengebiete möglichst sicher und getrennt vom zivilen Luftverkehr führen. In offiziellen Verlautbarungen wird betont, dass der Testbetrieb so angelegt ist, dass Strände und Siedlungsräume an Land nicht beeinträchtigt werden. (IO+, Zuid-Holland)
Der staatssekretär für Verteidigung, Gijs Tuinman, stellte in seiner Ansprache den sicherheitspolitischen Rahmen heraus: „Drohnen haben das Schlachtfeld grundlegend verändert. In der Ukraine sehen wir täglich, wie entscheidend diese Technologie für unsere Sicherheit ist. Mit diesem Testgebiet investieren wir in digitale Schlagkraft und beschleunigen die Entwicklung von Drohnen und Anti-Drohnen-Systemen.“ (IO+)
Partner, Governance & Zeitplan
Die Province Zuid-Holland leitet die Luftraumänderungsprozedur. In die praktische Umsetzung sind Experten und Firmen wie MovingDot, AirHub, To70 sowie das Nederlandse Lucht- en Ruimtevaartcentrum (NLR) eingebunden. Offiziell wird erwartet, dass erste Testflüge Ende 2026 möglich sind; bis dahin sollen Auslegungen, Sicherheitsprotokolle und Integrationsregeln mit zivilen Flugsicherungsstellen finalisiert werden. (ATC Network, Zuid-Holland)
Die Freigabe eines BVLOS-Luftraums erfordert umfangreiche Anpassungen in der Luftraumverwaltung, zertifizierte Fail-Safe-Mechaniken und klare Verantwortlichkeiten für Unfälle oder Zwischenfälle. Kritische Punkte, die in den Dokumenten und Statements mehrfach genannt werden, sind:
- Koordinierung mit zivilen Flugsicherungsstellen, um Interferenz mit bemanntem Verkehr auszuschließen.
- Technische Mindestanforderungen an C2-Links, Redundanz und ADS-B/Surveillance-Integration.
- Haftungsregeln und Notfallzonen für den Fall von Ausfällen oder Abstürzen.
- Öffentliche Transparenz über geplante Tests und Schutzmaßnahmen für Seebesucher.
Offizielle Stellen heben hervor, dass das Testgebiet die niederländische Industrie in den Bereichen UAS-Technologie, Automatisierung sowie maritime Anwendungen stärken soll. Das Projekt verspricht neue Arbeitsplätze, Forschungssynergien und die Chance, Standards für BVLOS-Integration in Europa mitzugestalten. (IO+)
- Offshore-Inspektion: Regelmäßige Überprüfung von Windpark-Anlagen und Plattformen ohne Menschen vor Ort.
- Maritime Logistik: Lieferung dringend benötigter Ersatzteile an Schiffe, Probenentnahme von Ladungen.
- Sicherheit & Überwachung: Testläufe für Anti-Drone-Sensorik und C2-Systeme im komplexen maritimen Umfeld.
Die Initiative steht nicht isoliert: Sie fällt in eine Phase verstärkter europäischer Investitionen in autonome Systeme und UAS-Fähigkeiten. In offiziellen Statements wird wiederholt auf Erfahrungen aus Konflikten verwiesen (u. a. Ukraine), die die strategische Bedeutung unbemannter Systeme unterstreichen. Dies führt zu Debatten über Dual-Use-Risiken, Exportkontrollen und die Balance zwischen zivilen Vorteilen und militärischer Nutzung.
Offizielle Quellen & weiterführende Berichte
- IO+ – Netherlands unveils drone testing zone over the North Sea
- Provincie Zuid-Holland – Primeur voor Nederland: Alliantie voor eerste permanente drone-testgebied
- ATC Network – First for the Netherlands: Alliance for first permanent drone test area over North Sea
- UNN – Dutch government plans to open the first permanent drone testing zone
- TASS – Netherlands creates UAV test area over the North Sea (coverage)
Die offizielle Darstellung betont wirtschaftliche Vorteile, Innovationskraft und sicherheitspolitische Notwendigkeit. Kritische Stimmen (Fachöffentlichkeit und Teile der Zivilgesellschaft) mahnen hingegen strengere Transparenz, klare Limits für militärische Nutzung sowie robuste Prüf- und Haftungsmechanismen an. Technisch wie organisatorisch stellt die Integration von BVLOS-Korridoren hohe Anforderungen an Zertifizierungen, Surveillance-Infrastruktur und Notfallverfahren. Für die Niederlande bietet das Projekt die Gelegenheit, Regulierung, Technik und öffentliche Debatte simultan zu entwickeln – mit Auswirkungen auf die gesamte EU-Politik für unbemannte Systeme.
Fazit
Die Einrichtung der ersten permanenten Drohnentestzone über der Nordsee ist ein strategischer Schritt: technologisch richtungsweisend, wirtschaftlich attraktiv und sicherheitspolitisch sensibel. Entscheidend wird sein, wie die niederländischen Behörden und Partner die Balance zwischen Innovation, Sicherheit und öffentlicher Legitimation gestalten. Wenn Governance, Technik und Transparenz Hand in Hand gehen, kann das Projekt zur Blaupause für verantwortungsvolle BVLOS-Integration in Europa werden.
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