Am 8. Oktober 2025 hat Rheinmetall offiziell die Serienfertigung seiner Loitering Munition (LM) auf Sardinien aufgenommen. Wie der Konzern in einer aktuellen Pressemitteilung bestätigt, läuft die Produktion der HERO-Serie inzwischen auf vollen Touren. Die Fertigung erfolgt durch die Tochtergesellschaft RWM Italia an den Standorten Musei und Domusnovas, in Kooperation mit dem israelischen Partnerunternehmen UVision Air Ltd. Die Entscheidung markiert einen strategischen Schritt Europas größtem Rüstungsunternehmen, sich stärker im Markt für präzisionsgelenkte, autonome Waffensysteme zu positionieren.
Faktenlage & Produktionskapazitäten
In Musei werden laut Rheinmetall elektronische Komponenten montiert und geprüft, während in Domusnovas die Gefechtsköpfe produziert und integriert werden. Der aktuelle Auftragsbestand liegt bei über 200 Millionen Euro und umfasst Lieferungen an acht NATO- und Nicht-NATO-Staaten in Europa. Bis 2026 soll die Produktion auf bis zu 1.000 Einheiten pro Monat gesteigert werden. Ergänzend entwickelt Rheinmetall in Deutschland (Penzberg) weitere UAV-Systeme, darunter das Aufklärungssystem LUNA NG. Das Geschäftsfeld der unbemannten Systeme erzielte 2024 einen Umsatz von rund 120 Millionen Euro (Defence-Industry Europe).
Die von Rheinmetall und UVision gemeinsam gefertigten HERO-Drohnen gelten als sogenannte Loitering Munitions – also als „herumlungernde Munition“, die über einem Zielgebiet kreist, bis ein präziser Angriff ausgelöst wird. Alle Systeme arbeiten mit elektrischen oder benzinbetriebenen Motoren, verfügen über Autonomie- und Rückführ-Funktionen („Return to Operator“) sowie optische und infrarote Zielverfolgung. Sie können in urbanen wie ländlichen Einsatzräumen nahezu lautlos operieren.
- HERO 30: 3 kg Gesamtgewicht, Reichweite 10 km, Flugzeit 30 min, Gefechtskopf 0,5 kg, Start über pneumatische Einheit – ideal für Infanterieeinsatz.
- HERO 120: 12 kg, Reichweite 40 km, Flugzeit 60 min, Gefechtskopf 4,5 kg – gegen gepanzerte Fahrzeuge oder befestigte Stellungen.
- HERO 400: 40 kg, Reichweite 60 km, Flugzeit 2 Stunden, Gefechtskopf 10 kg – taktisches Mittelstreckensystem.
- HERO 900 / 1250: 90–125 kg, Reichweite bis 200 km, Flugzeit 6 Stunden, Gefechtsköpfe bis 50 kg – strategische LM-Plattformen.
Nach Angaben aus der Rheinmetall-Broschüre werden die Systeme sowohl zu Land, See und in der Luft eingesetzt. Dank übertragbarer Steuerung kann die Kontrolle während des Einsatzes zwischen mehreren Einheiten übergeben werden – ein Feature, das insbesondere bei Swarm-Operationen als taktische Revolution gilt (Army Technology).
➡️ Rheinmetall accelerates combat drone production – capacities significantly expandedhttps://t.co/yI4uEcgNou pic.twitter.com/bSoSzwJhWl
— Rheinmetall (@RheinmetallAG) October 8, 2025
Die HERO-Serie integriert KI-gestützte Sensorfusion und autonome Zielanalyse. Nach Herstellerangaben kann die Drohne eigenständig zwischen militärischen und zivilen Strukturen unterscheiden und einen Angriff abbrechen, wenn das Ziel nicht bestätigt wird. Sie operiert auch in GPS-gestörten Zonen und kann über verschlüsselte Datenlinks gesteuert werden. Das System erlaubt Echtzeit-Bildübertragung und ISR-Fähigkeiten (Intelligence, Surveillance, Reconnaissance) in einem einzigen Flugkörper.
Rheinmetall positioniert die HERO-Familie als „Battlefield Game Changer“, der klassische Artillerie und Drohnenaufklärung miteinander verschmilzt. In der offiziellen Produktbeschreibung heißt es: „Loitering Munition bietet Streitkräften die ultimative operative Flexibilität und Präzision auf dem modernen Gefechtsfeld.“ (Rheinmetall).
Rüstungspolitische Bedeutung und Kritik
Die Ausweitung der LM-Produktion fällt in eine Phase zunehmender militärischer Nachfrage in Europa. Loitering Munition – häufig auch als „Kamikaze-Drohnen“ bezeichnet – wird seit dem Ukrainekrieg als Schlüsseltechnologie betrachtet, weil sie Aufklärung, Entscheidung und Schlagwirkung in einem System vereint. Kritiker warnen jedoch vor einer schleichenden Automatisierung der Kriegsführung und fordern strengere Regeln für den Einsatz autonomer Waffen. Menschenrechtsorganisationen wie „Autonomous Weapons Watch“ verweisen auf die ethischen Risiken, wenn KI-Systeme zunehmend über Leben und Tod entscheiden.
Zudem wird die Rolle Italiens kritisch betrachtet: Während Rom offiziell auf EU-Ebene für restriktive Waffenexporte eintritt, werden durch die RWM Italia auf Sardinien auch Waffenteile produziert, die in Krisenregionen gelangen könnten. Die European Security and Defence Magazine sieht darin ein „strategisches Paradox zwischen industrieller Souveränität und ethischer Verantwortung“.
Laut Defense News will Rheinmetall mit der HERO-Serie den europäischen Markt dominieren und parallel an der neuen Plattform FV-014 arbeiten – einer 15-kg-Drohne, die in Deutschland produziert werden soll. Unternehmensvertreter Christian Rucker erklärte, das System könne „zwischen 500 und 1.000 Einheiten pro Monat“ liefern und sei als skalierbare Lösung für NATO-Armeen ausgelegt.
Der weltweite Markt für Loitering Munition wird laut einer aktuellen Marktstudie von GlobeNewswire auf über 800 Millionen Euro jährlich geschätzt – mit weiterem Wachstum bis 2029. Rheinmetall und UVision gelten als zentrale Treiber dieser Entwicklung in Europa.
Fazit: Rheinmetall setzt auf Präzision, Tempo – und politische Gratwanderung
Mit der Serienfertigung auf Sardinien untermauert Rheinmetall seine Ambition, europäischer Technologieführer bei Loitering Munition zu werden. Die HERO-Serie vereint Aufklärung, KI-gestützte Zielanalyse und Präzisionsschlag in einem System – und verändert damit die Doktrin der modernen Gefechtsführung. Doch zwischen Effizienz und Ethik bleibt eine wachsende Spannung: Während Rheinmetall technische Maßstäbe setzt, mahnen Kritiker zur Kontrolle über die wachsende Autonomie solcher Systeme. Das Schlachtfeld der Zukunft wird damit nicht nur technologisch, sondern auch moralisch neu definiert.
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