Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat im Oktober-Plenum über die zunehmenden Drohnenaktivitäten unbekannter Herkunft und die wachsende Gefahr sogenannter hybrider Angriffe beraten. Unter dem Titel „Auf hybride Attacken besonnen und konsequent reagieren – Drohnenabwehr stärken“ brachten FDP, CDU, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und SSW gemeinsam einen Antrag ein, der eine deutliche Verstärkung der Abwehr- und Reaktionsfähigkeit fordert. Der Antrag formuliert eine klare sicherheitspolitische Richtung für das Land.
🚨 Wachsende Zahl unklarer Drohnensichtungen im Norden
In Schleswig-Holstein wurden in den vergangenen Monaten mehrere Drohnenflüge über kritischer Infrastruktur gemeldet – darunter über dem Kieler Gaskraftwerk, dem Universitätsklinikum, Industrieanlagen von Thyssenkrupp und sogar dem Gelände des Landtags selbst. Auch in Brunsbüttel, Heide und entlang des Nord-Ostsee-Kanals kam es zu Sichtungen. Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) berichtete, bis zum 10. Oktober 2025 seien 102 Fälle registriert worden. „Nicht jeder Flug ist illegal“, betonte sie, viele hätten sich als Flugzeuge, Hubschrauber oder legale Drohnen herausgestellt – „doch einige Fälle sind als Mittel hybrider Kriegsführung zu betrachten.“
Die unidentifizierten Überflüge sorgen nicht nur in Deutschland, sondern auch in Dänemark, Norwegen, Polen und am Flughafen München für Aufmerksamkeit. Laut Landtag sollen diese Vorfälle „vor allem darauf abzielen, die Abwehrbereitschaft des Landes auszutesten und zur Verunsicherung der Bevölkerung beizutragen.“ Der Antrag hebt hervor, dass die kritische Infrastruktur – von Energieversorgung über Gesundheitswesen bis zu Industrieanlagen – besonders gefährdet sei.

Die Fraktionen fordern den Aufbau schlagkräftiger Anti-Drohnen-Einheiten bei Bundeswehr, Bundespolizei und Landespolizei sowie eine enge Abstimmung zwischen Bund und Ländern. Schleswig-Holstein soll seine bereits begonnene Drohnenabwehreinheit weiter ausbauen – das Konzept dafür wurde laut Antrag bereits 2024 gelegt. Zudem soll der Bund das Luftsicherheitsgesetz und das Seesicherheitsgesetz anpassen, um den Einsatz moderner Abwehrsysteme rechtlich abzusichern. Zuständigkeitsfragen dürften, so heißt es im Antrag, „die Reaktionsfähigkeit nicht behindern.“
Die Abgeordneten plädieren dafür, Land und Bund in die Lage zu versetzen, Drohnenüberflüge nicht nur aufzuklären, sondern im Zweifel auch zu unterbinden. Außerdem soll ein bundesweites Drohnenabwehrzentrum geschaffen werden, um Lagebilder in Echtzeit zu erfassen, Zuständigkeiten zu klären und Informationen zwischen Behörden zu bündeln. Auch der „Ausrüstungs- und Know-how-Transfer zwischen den Sicherheitsbehörden“ soll intensiviert werden.

📊 Hybride Angriffe – reale, aber beherrschbare Gefahr
„Wir dürfen nicht mehr nur zuschauen, wenn eine Drohne über ein LNG-Terminal, ein Umspannwerk oder eine Kaserne fliegt“, sagte Niclas Dürbrook (SPD). Christopher Vogt (FDP) ergänzte, Bund und Länder hätten sich „erkennbar noch nicht auf die neuen Gefahren eingestellt“ und müssten schneller reagieren. Auch Marion Schiefer (CDU) betonte, die Bedrohung sei real, „aber beherrschbar, wenn wir Recht, Technik und Organisation zusammenführen.“ Für Jan Kürschner (Grüne) sind die jüngsten Drohnenaktivitäten ein Beispiel hybrider Kriegsführung, die „ernst genommen werden, aber nicht in Panik münden“ dürfe. Sybilla Nitsch (SSW) verwies auf die Notwendigkeit, Flughäfen und Versorgungsnetze besser zu schützen.
Der Antrag unterstreicht die Bedeutung einer „robusten Auslegung des Verteidigungsauftrags“ im Rahmen der Bundeswehrkompetenzen und fordert, rechtliche Grundlagen zügig zu prüfen. Neue Formen hybrider Angriffe erforderten, so das Papier, „neue Antworten“ – die Verteidigung von Freiheit und Sicherheit dürfe nicht länger „an Zuständigkeitsfragen scheitern.“
Aufgrund seiner geografischen Lage zwischen Nord- und Ostsee, mit maritimer Energie- und Verkehrsinfrastruktur, gilt Schleswig-Holstein als besonders sensibel. Der Antrag hebt hervor, dass maritime Sicherheit und Abwehr hybrider Bedrohungen künftig einen Schwerpunkt bilden sollen. Bereits 2024 seien für den Haushalt 2025 entsprechende Mittel und Stellen für Ausrüstung und Technik bereitgestellt worden. Die Landesregierung wird aufgefordert, die landesrechtlichen Regelungen umgehend zu überprüfen und fortlaufend anzupassen.
📎 Europäischer Kontext: Drohnen als Instrument der Unsicherheit
Die häufigen Drohnensichtungen in Nordeuropa stehen laut dem Landtag in Zusammenhang mit hybriden Strategien fremder Akteure, die auf Störmanöver, Aufklärung und psychologische Effekte setzen. Schleswig-Holstein reagiert damit auf eine Entwicklung, die sich längst über nationale Sicherheitsfragen hinaus erstreckt. Der Antrag spricht von einem klaren Ziel: Die Sicherheitsbehörden sollen in die Lage versetzt werden, Drohnenüberflüge „nicht nur aufzuklären, sondern im Zweifel zu unterbinden.“
Zum Antrag der Fraktionen von FDP, CDU, Bündnis90/Die Grünen, SPD und SSW
Fazit
Die Drohnenabwehr-Debatte in Schleswig-Holstein zeigt, wie ernst die Politik die Gefahr hybrider Angriffe mittlerweile nimmt. Der parteiübergreifende Antrag formuliert eine klare sicherheitspolitische Agenda: bessere Ausstattung, klarere Zuständigkeiten und stärkere Kooperation zwischen Bund und Ländern. Zwischen Wachsamkeit und Pragmatismus versucht das Land, seine Rolle als Schutzschild im Norden Europas neu zu definieren.
Die zunehmende Zahl von Drohnensichtungen in Europa zeigt, wie schmal der Grat zwischen realer Bedrohung und übersteigerter Wahrnehmung geworden ist. Immer wieder stellt sich heraus, dass vermeintlich gefährliche Vorfälle auf Fehlsichtungen oder unzureichende Identifizierungen zurückzuführen sind. In Deutschland etwa kam es am Flughafen München Anfang Oktober 2025 zu mehreren Sichtungen, die den Flugbetrieb stundenlang lahmlegten. Polizei und Bundespolizei suchten intensiv nach den Verursachern – bislang ohne Ergebnis. Ähnliche Situationen wurden an weiteren Flughäfen gemeldet, wobei die Deutsche Flugsicherung von 172 registrierten Drohnensichtungen allein im Zeitraum Januar bis September 2025 berichtet.
Auch in Norddeutschland kam es im September zu mehreren Sichtungen über Energieanlagen und Regierungsgebäuden. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Flensburg deuten darauf hin, dass einige Drohnen möglicherweise von Schiffen in der Nordsee gestartet wurden. Doch trotz zahlreicher Untersuchungen bleibt die Mehrheit der Fälle ungeklärt. Dieses Muster zieht sich durch viele europäische Länder: In Dänemark etwa führten wiederholte Sichtungen nahe Militärstützpunkten und Flughäfen zu Betriebseinstellungen – ohne dass eine klare Urheberschaft festgestellt werden konnte.
Die AFP-Faktencheck-Redaktion warnte zudem vor der wachsenden Rolle von Desinformation rund um Drohnensichtungen. Besonders in Polen kursierten irreführende Analysen in sozialen Medien, die fälschlicherweise der Ukraine oder Russland gezielte Angriffe zuschrieben. Laut einer Untersuchung der Organisation Res Futura seien viele dieser Beiträge Teil koordinierter Desinformationskampagnen – mit dem Ziel, Unsicherheit und Misstrauen in der Bevölkerung zu erzeugen.
Auch die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) weist darauf hin, dass es bislang keine gesicherten Beweise für eine russische oder ukrainische Urheberschaft bei jüngsten Drohnenvorfällen in Deutschland gebe. Dennoch arbeitet die Bundesregierung an erweiterten Befugnissen für Polizei und Bundeswehr zur Abwehr solcher Bedrohungen. Europaweit entstehen derzeit gemeinsame Initiativen für Drohnenschutz und Frühwarnsysteme – ein notwendiger Schritt, um technologische Realität und öffentliche Wahrnehmung wieder in Einklang zu bringen.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Die Gefahr liegt nicht nur in der Drohne selbst, sondern auch in der Informationsdynamik um sie herum. Medienberichte über unbestätigte Sichtungen verbreiten sich rasch, Richtigstellungen hingegen kaum. So entsteht eine Spirale der Unsicherheit, die Vertrauen in Behörden und Berichterstattung gleichermaßen belastet. Eine faktenbasierte, ruhige Kommunikation – gestützt auf überprüfte Quellen und technische Daten – ist deshalb das Gebot der Stunde, um zwischen realer Bedrohung und Fehlinterpretation unterscheiden zu können.


